Reisebericht zu unserer Senegalreise im November 2022
Herzlicher Empfang und große Dankbarkeit

Ernüchternde Kontakte mit Behörden

Am Samstag, den 5. November, um 3 Uhr morgens, begann die Reise in Kempten. Von der Partie waren Dr. Anglika Groß, Christian Kosak, Gottfried und Stefan Kölbl.

Der Flug über Brüssel verlief programmgemäß. Vorausschauend hatte unser Projektleiter Elhadji Francois Diouf es vorab beim Zoll in Dakar erreicht, dass wir die beiden mitgeführten Photovoltaik-Koffer ohne Bezahlung einführen durften. Zum Glück hatte unser Hotel in Thiès eine gute Klimaanlage, denn schon dort war es recht warm.

Zur Entspannung besuchten wir dann am Sonntag mit der Familie von Elhadji einen stimmungsvollen Gottesdienst in der Benediktiner-Abtei Keur Moussa und genossen dann den Tag am Atlantik.

Fotos (privat): Messe in Keur Moussa und Fischerboote am Strand

Am Montag fuhren wir dann, zusätzlich mit Adelaide und Elhadji Francois Diouf und unserem tollen Fahrer Samba , die knapp 500 km in die Casamance, den Landesteil südlich von Gambia. Die Fahrt durch das schmale Gambia wird jetzt zwar durch eine große Brücke über den Gambia-River erleichtert. Wegen der vielen Kontrollen und der oft schlechten Straßen brauchten wir für die ganze Strecke dennoch neun Stunden.

Tags darauf begann die Arbeit: Wir hatten einen Termin beim Präfekten des Departements Goudomp, Ibrahim Fall . Der uniformierte Beamte, etwa in der Funktion eines Landrats, war über die Eröffnung des Berufsausbildungs-Zentrums in Diattacounda informiert. Wir hatten hier 2019, auf Vorschlag unseres Projektleiters Elhadji begonnen, ein Bauprojekt von ca. 85.000 € maßgeblich zu unterstützen, weil es im Umkreis von 150 km keinerlei Berufsausbildungs-Möglichkeit gab.

Nachdem die Gemeinde - infolge Corona - neben zwei Grundstücken nicht mehr den versprochenen Geldbetrag leisten konnte, sprang unser Projektpartner AVANCEE , die Hilfsorganisation von Elhadji, ein. Die Schule gehört deshalb dieser Organisation. Diese muss aber von den Schülerinnen und Schülern monatlich ca. 30 € Schulgeld verlangen, um Lehrer und Material zahlen zu können. Mit der Gemeinde gibt es einen Partnerschafts-Vertrag

Unsere Gruppe v.l.n.r. Dr. Angelika Groß, Christian Kosak, Adelaide Diouf, Stefan Kölbl, Elhadji Francois Diouf und Gottfried Kölbl. Er erklärt dem Präfekten Ibrahim Fall hier unsere Projekte. (Fotos: Privat)

Der Präfekt lobte unser Engagement zwar wortreich, war aber nicht glücklich darüber, dass die Schule nun den Status einer Privatschule hat. Über die Art, wie der Staat Schulbildung als Priorität sieht, ist noch später zu berichten.

Elhadji informierte uns darüber, dass die Schule ordnungsgemäß angemeldet sei, und dass sie nach dem staatlichen Lehrplan unterrichte. Nach dem Besuch lehnten auch wir eine Überstellung der Schule an den Staat ab. Es gibt für solche Privatschulen wohl auch Fördertöpfe, sodass man das Schulgeld doch noch reduzieren kann.

Eine Möglichkeit wären hier aber auch Spendengelder von uns , um mehr als 48 Jugendlichen den Schulbesuch zu ermöglichen.​ Die folgenden Tage brachten immer wieder begeisternde Empfänge - oft schon weit vor den Orten - und großartige Bekundungen der Dankbarkeit. So besuchten wir die von uns maßgeblich finanzierten Gartenbau- Projekte von Thiar , Kossi und Kignine .

Die Frauen zeigten, was sie mit Kleinkrediten jetzt noch zusätzlich herstellten (u.a. Batik-Stoffe, Seife, Waschmittel, Palmwein, Honig). Auf den Feldern reift jetzt - nach der Regenzeit - der Reis. Temperamentvolle Tanzeinlagen waren immer der Abschluss. Oft rief schon der Muezzin zum Abendgebet.

Fotos: Privat

Ein herausragender Tag war der 12.November, an dem nochmal mit einem großen Event das Berufsausbildungs-Zentrum Diattacounda feierlich eröffnet wurde. Wie bei der Grundsteinlegung, vor genau drei Jahren, war die komplette politische und religiöse Prominenz anwesend und genoss mit ihren Reden die Aufmerksamkeit der Journalisten.

Diese Schule ist der große Verdienst unseres Projektleiters Elhadji. Er hat es trotz schwierigster Verhältnisse in der Pandemie und ausgefallener Zahlungen durch die Gemeinde geschafft, das Werk soweit zu Ende zu bringen. Es ist eigentlich eine Aufforderung für das Establishment, das zu tun, was man tun müsste, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.

Der Bürgermeister von Diattacounda bei seiner Ansprache, daneben der Präfekt. Foto: Privat

In den 33 Jahren seit unserem ersten Besuch ist die Bevölkerung des Senegal von 7 auf 17 Millionen angewachsen. Die Prognose für 2050 lautet 32 Millionen! Das wäre eine Katastrophe! Auch für uns; denn eine Flut von Flüchtlingen, noch schlimmer als 2015, ohne jede berufliche Qualifikation, würde in die Boote steigen. Laut Artikel 21 und 23 der 2001 eingeführten senegalesischen Verfassung sei die Schule bis zum 16 Lebensjahr sogar verpflichtend und kostenlos.

Darauf hat uns der Präfekt mit einem resignierenden Lächeln hingewiesen. Das senegalesische Arbeitsministerium hat aber offiziell geäußert, dass das öffentliche Schulsystem nicht in der Lage sei, die vielen Kinder zu bewältigen, die jedes Jahr aufgenommen werden müssten (Wikipedia).

Die Berufsausbildung ist eines der besonderen Stiefkinder des Staates. Das Durchschnittsalter der Senegalesen heute ist 19,4 Jahre. Jede Frau hat im Durchschnitt immer noch 4,5 Kinder. Wenn man also den so gastfreundlichen Menschen weiterhelfen will, dann nicht mit Brunnen oder Spenden von Reis, den sie gut selber anbauen könnten, sondern mit der Hilfe beim Bau von Schulen - auch ohne den Staat.

Keine der bisher von uns finanzierten Schulen ist mit dem Staat errichtet worden. Meist mit Caritas oder direkt mit den Eltern. Jugendliche mit Schul- und Berufsausbildung haben eine Perspektive im Land und vor allem die Frauen denken verantwortungsbewusster über ihre Familienplanung ​ nach. Da ist der muslimisch geprägte Staat wirklich weiter: Es gibt Plakate zur Empfängnisverhütung und sogar Kondome an der Tankstellenkasse zu kaufen.

Stefan Kölbl bei der Anleitung durch Anton Geer in der Berufsschule Dachau. Vor Ort mit dem Lehrer Yaya Badji bei der ersten Installation. Fotos: Privat

Elhadji Francois Diouf spricht zur Photovoltaik-Klasse. Wir sind gespannt auf den Erfolg! Die Landwirtschafts-Klasse bei der praktischen Arbeit im Feld innerhalb der Schule. Fotos: Privat

Eine Herausforderung der besonderen Art war unser Geschenk von zwei Photovoltaik-Lehrkoffern an die Berufsschüler in Diattacounda. In der Casamance gibt es viel Land und genug Wasser sowie gute Böden. Die Sonne scheint fast immer. So war die Wahl der Berufe, die als erste ausgebildet werden sollten klar: Landwirte (auch Analphabeten) und Elektriker mit Schwerpunkt Photovoltaik (PV). Und nachdem es im "Energiedorf Wildpoldsried" das Projekt VET4Africa (vocational education and training for Africa) gibt, hatten wir eine Allgäuer Adresse für den Kauf von Schulungsmaterial.

Besonders hilfreich war es für uns, dass Stefan Kölbl von Anton Geer , dem Entwickler der Lehrkoffer, in der​ Berufsschule Dachau einen Schnellkurs in der Anwendung erhielt. Diese Koffer mit Bausätzen für kleine Solaranlagen sollen helfen, auch ohne Infrastruktur elektronische Geräte zu betreiben und dabei die Grundlagen von PV, Elektro- und Speichertechnik zu schulen. Dazu erhielten wir das Infomaterial in französischer Sprache. Akkus kauften wir im Senegal, da deren Mitnahme im Flugzeug nicht erlaubt gewesen wäre.

So war es für Stefan ein besonderer Erfolg, mit dem Lehrer, einem Physiker, ein Modul in Betrieb zu nehmen. Es ist ein Anfang zum Erzeugen von Strom für Licht, Handys und Computer. Im zweiten Schritt sollen Hütten und Häuser versorgt werden und in einem dritten Schritt Solaranlagen z.B. auf Schulen ermöglicht werden.

V.l.n.r.: Adelaide Diouf, Dr. Angelika Groß, Christian Kosak, Etienne Loum, der Buchhalter, Elhadji Francois Diouf, der Bürgermeister, Gottfried Kölbl. Rechts: Stefan Kölbl bei der Siegerehrung

Ein weiteres Highlight war der Besuch der Gemeinde Binaconding. Auch hier hatte man uns schon weit vorher auf der Straße erwartet. Mit Tam Tam ging es ins Dorf zum großen Fest. Ein Griot leitete die Dankeszeremonie mit vielen Ansprachen und Würdigungen. Jede Chefin eines Gartenbau-Projektes stellte sich mit ihrem Team und einer temperamentvollen Tanzeinlage vor. Zum Schluss forderte man auch uns auf, unsere Tanzkünste zu zeigen. Zum Schluss gab es auch noch Hirsebrei (Kuskus) mit Rindfleisch und Zwiebelsoße. Alle haben es gut vertragen!

Foto: Privat

Das sind die Leiterinnen der Gartenbau-Projekte Binaconding, Kignine, Fassada, Diattacounda, Rossi. Foto: Privat

Am nächsten Tag besuchten wir auch hier das Gartenbau-Projekt, ein riesiges Reisfeld. Wir wussten vorher, dass der Anbau bzw. die Ernte von Zwiebeln, Gemüse, Kartoffeln und die Ernte von Cashew und Mangos zu anderen Jahreszeiten stattfindet.

Enttäuschend für uns war der Besuch des von uns finanzierten Schulgebäudes in Binaconding : Dafür hatte der Bürgermeister 2017 ein Grundstück von einem Hektar zur Verfügung gestellt. Eine Allgäuer Familie, die nicht genannt werden wollte, hat rund 5.000 € gespendet. Ein Foto dieser ersten Klasse zeigt unser Flyer. Bisher war es immer so, dass der Staat sich an der Ehre gepackt fühlte, wenn eine ausländische, vor allem christliche Organisation eine fehlende Schule baute.

Der Ehrgeiz hielt hier nicht lange an. Auf dem riesigen Gelände stehen drei halbfertige Rohbauten, die schon von mehreren Regenzeiten gezeichnet sind. Anstatt dessen gibt es eine weitere Hütte, die zwei Klassen beherbergt und eine "Buschschule" aus Zweigen für die Kleinsten. Das ist sowohl bei Hitze wie bei Regen keine Lösung, wie mir die Lehrerin sagte.

Hier stehen drei unfertige Bauten. Dennoch gibt es jetzt mehrere Klassen in verschiedenen Gebäuden. Fotos: Privat

Auch der Schulleiter konnte uns nicht sagen, warum man einfach aufgehört habe. Anscheinend hat man sich geschämt, das Unicef-Logo auf die unverputzte Hütte zu malen, so dass jetzt "unsere Schule" auch dieses Logo trägt. Von einer anderen Schule haben wir erfahren, dass der Staat endlich die Lehrer stellen wollte. Pustekuchen! Dies sei vom Bürgermeister zu spät beantragt worden. Die Schüler sind jetzt ohne Unterricht. Die Strategie des Staates ist nicht zu verstehen. Zugegeben, er schwimmt nicht im Geld. Dass der Liter Diesel genau halb so viel kostet wie bei uns und ein Großteil der Gewerbetreibenden keine Steuern zahlt, kann man dann aber auch nicht verstehen. Aber es gibt inzwischen neue Bürgerbewegungen und Parteien, die das ändern wollen. Das bewirkt auch mehr Schulbildung!

Zum Schluss wurde uns zu Ehren in Binaconding noch ein Fußball- Turnier veranstaltet. Es war ein tolles Spiel mit vollem Körpereinsatz. Zum Glück gab es keine Verletzten. Die Partie endete 0:0 und wurde mit ​ Elfmeter-Schießen für die Mannschaft von Diattacounda entschieden. Wir hatten als Geschenk einen "Original"-Qatar-WM-Fußball als Geschenk dabei und durften die Siegerehrung vornehmen. Einige Schüler der Berufsschule haben mitgespielt. Elhadji erzählte uns aber auch, dass die meisten der Mitspieler einfach arbeitslos seien.

Liebe Senegalfreundinnen und -freunde, es ist hier wie bei der Klimaproblematik und vielen andere Themen: Wir können die Welt, so wie sie nun mal ist, nicht verändern. Wir können aber mit unseren beschränkten Mitteln gezielt Akzente setzen und den Menschen helfen. Wir können den Menschen auch dabei helfen, politisch mündiger zu werden und zum Beispiel das Recht auf Ausbildung und eine Perspektive im Land einzufordern.

Unsere Reise - nach drei Jahren Corona-Pause -hat auch die bestehenden Probleme des Landes wieder in Erinnerung gerufen. Das Erreichte und vor allem das Erleben der Menschen mit ihrer dankbaren Gastfreundschaft gibt uns weiter Auftrieb, auch Euch wieder um Eure Unterstützung zu bitten. Viele Frauen warten auf eine Unterstützung für ein Gartenbau-Projekt, oft fehlt nur ein Zaun, die Berufsschule ist mit rund 48 Schülerinnen und Schülern noch nicht ausgelastet - eine Schulgeldhilfe wäre wichtig, und das Grundstück ist so groß, dass man eines Tages weitere Klassenräume errichten könnte.

Schenken wir den liebenswerten Kindern eine Zukunft im eigenen Land! Foto: Privat

Text: Gottfried Kölbl