Ernüchternde Kontakte mit Behörden
Am Samstag, den 5. November, um 3 Uhr morgens, begann die Reise in
Kempten. Von der Partie waren Dr. Anglika Groß, Christian Kosak,
Gottfried und Stefan Kölbl.
Der Flug über Brüssel verlief
programmgemäß. Vorausschauend hatte unser Projektleiter Elhadji
Francois Diouf es vorab beim Zoll in Dakar erreicht, dass wir die beiden
mitgeführten Photovoltaik-Koffer ohne Bezahlung einführen durften.
Zum Glück hatte unser Hotel in Thiès eine gute Klimaanlage, denn schon
dort war es recht warm.
Zur Entspannung besuchten wir dann am
Sonntag mit der Familie von Elhadji einen stimmungsvollen Gottesdienst
in der Benediktiner-Abtei Keur Moussa und genossen dann den Tag am
Atlantik.
Fotos (privat): Messe in Keur Moussa und Fischerboote am Strand
Am Montag fuhren wir dann, zusätzlich mit Adelaide und Elhadji
Francois Diouf und unserem tollen Fahrer Samba , die knapp 500 km in
die Casamance, den Landesteil südlich von Gambia. Die Fahrt durch das
schmale Gambia wird jetzt zwar durch eine große Brücke über den
Gambia-River erleichtert. Wegen der vielen Kontrollen und der oft
schlechten Straßen brauchten wir für die ganze Strecke dennoch neun
Stunden.
Tags darauf begann die Arbeit: Wir hatten einen Termin beim Präfekten
des Departements Goudomp, Ibrahim Fall . Der uniformierte Beamte,
etwa in der Funktion eines Landrats, war über die Eröffnung des
Berufsausbildungs-Zentrums in Diattacounda informiert. Wir hatten hier
2019, auf Vorschlag unseres Projektleiters Elhadji begonnen, ein
Bauprojekt von ca. 85.000 € maßgeblich zu unterstützen, weil es im
Umkreis von 150 km keinerlei Berufsausbildungs-Möglichkeit gab.
Nachdem die Gemeinde - infolge Corona - neben zwei Grundstücken nicht
mehr den versprochenen Geldbetrag leisten konnte, sprang unser
Projektpartner AVANCEE , die Hilfsorganisation von Elhadji, ein. Die
Schule gehört deshalb dieser Organisation. Diese muss aber von den
Schülerinnen und Schülern monatlich ca. 30 € Schulgeld verlangen, um
Lehrer und Material zahlen zu können. Mit der Gemeinde gibt es einen
Partnerschafts-Vertrag
Unsere Gruppe v.l.n.r. Dr. Angelika Groß, Christian Kosak, Adelaide Diouf,
Stefan Kölbl, Elhadji Francois Diouf und Gottfried Kölbl. Er erklärt dem
Präfekten Ibrahim Fall hier unsere Projekte. (Fotos: Privat)
Der Präfekt lobte unser Engagement zwar wortreich, war aber nicht
glücklich darüber, dass die Schule nun den Status einer Privatschule hat.
Über die Art, wie der Staat Schulbildung als Priorität sieht, ist noch
später zu berichten.
Elhadji informierte uns darüber, dass die Schule
ordnungsgemäß angemeldet sei, und dass sie nach dem staatlichen
Lehrplan unterrichte. Nach dem Besuch lehnten auch wir eine
Überstellung der Schule an den Staat ab. Es gibt für solche Privatschulen
wohl auch Fördertöpfe, sodass man das Schulgeld doch noch reduzieren
kann.
Eine Möglichkeit wären hier aber auch Spendengelder von uns ,
um mehr als 48 Jugendlichen den Schulbesuch zu ermöglichen.
Die folgenden Tage brachten immer wieder begeisternde Empfänge - oft
schon weit vor den Orten - und großartige Bekundungen der Dankbarkeit.
So besuchten wir die von uns maßgeblich finanzierten Gartenbau-
Projekte von Thiar , Kossi und Kignine .
Die Frauen zeigten, was sie mit
Kleinkrediten jetzt noch zusätzlich herstellten (u.a. Batik-Stoffe, Seife,
Waschmittel, Palmwein, Honig). Auf den Feldern reift jetzt - nach der
Regenzeit - der Reis. Temperamentvolle Tanzeinlagen waren immer der
Abschluss. Oft rief schon der Muezzin zum Abendgebet.
Fotos: Privat
Ein herausragender Tag war der 12.November, an dem nochmal mit
einem großen Event das Berufsausbildungs-Zentrum Diattacounda
feierlich eröffnet wurde. Wie bei der Grundsteinlegung, vor genau drei
Jahren, war die komplette politische und religiöse Prominenz anwesend
und genoss mit ihren Reden die Aufmerksamkeit der Journalisten.
Diese
Schule ist der große Verdienst unseres Projektleiters Elhadji. Er hat es
trotz schwierigster Verhältnisse in der Pandemie und ausgefallener
Zahlungen durch die Gemeinde geschafft, das Werk soweit zu Ende zu
bringen. Es ist eigentlich eine Aufforderung für das Establishment, das zu
tun, was man tun müsste, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Der Bürgermeister von Diattacounda bei seiner Ansprache, daneben der
Präfekt. Foto: Privat
In den 33 Jahren seit unserem ersten Besuch ist die Bevölkerung des
Senegal von 7 auf 17 Millionen angewachsen. Die Prognose für 2050
lautet 32 Millionen! Das wäre eine Katastrophe! Auch für uns; denn eine
Flut von Flüchtlingen, noch schlimmer als 2015, ohne jede berufliche
Qualifikation, würde in die Boote steigen. Laut Artikel 21 und 23 der
2001 eingeführten senegalesischen Verfassung sei die Schule bis zum 16
Lebensjahr sogar verpflichtend und kostenlos.
Darauf hat uns der Präfekt
mit einem resignierenden Lächeln hingewiesen. Das senegalesische
Arbeitsministerium hat aber offiziell geäußert, dass das öffentliche
Schulsystem nicht in der Lage sei, die vielen Kinder zu bewältigen, die
jedes Jahr aufgenommen werden müssten (Wikipedia).
Die
Berufsausbildung ist eines der besonderen Stiefkinder des Staates. Das
Durchschnittsalter der Senegalesen heute ist 19,4 Jahre. Jede Frau hat im
Durchschnitt immer noch 4,5 Kinder. Wenn man also den so
gastfreundlichen Menschen weiterhelfen will, dann nicht mit Brunnen
oder Spenden von Reis, den sie gut selber anbauen könnten, sondern mit
der Hilfe beim Bau von Schulen - auch ohne den Staat.
Keine der bisher
von uns finanzierten Schulen ist mit dem Staat errichtet worden. Meist
mit Caritas oder direkt mit den Eltern. Jugendliche mit Schul- und
Berufsausbildung haben eine Perspektive im Land und vor allem die
Frauen denken verantwortungsbewusster über ihre Familienplanung
nach. Da ist der muslimisch geprägte Staat wirklich weiter: Es gibt
Plakate zur Empfängnisverhütung und sogar Kondome an der
Tankstellenkasse zu kaufen.
Stefan Kölbl bei der Anleitung durch Anton Geer in der Berufsschule Dachau. Vor Ort mit dem Lehrer Yaya Badji bei der ersten Installation. Fotos: Privat
Elhadji Francois Diouf spricht zur Photovoltaik-Klasse. Wir sind gespannt
auf den Erfolg!
Die Landwirtschafts-Klasse bei der praktischen Arbeit im Feld innerhalb
der Schule. Fotos: Privat
Eine Herausforderung der besonderen Art war unser Geschenk von zwei
Photovoltaik-Lehrkoffern an die Berufsschüler in Diattacounda. In der
Casamance gibt es viel Land und genug Wasser sowie gute Böden. Die
Sonne scheint fast immer. So war die Wahl der Berufe, die als erste
ausgebildet werden sollten klar: Landwirte (auch Analphabeten) und
Elektriker mit Schwerpunkt Photovoltaik (PV). Und nachdem es im
"Energiedorf Wildpoldsried" das Projekt VET4Africa (vocational
education and training for Africa) gibt, hatten wir eine Allgäuer Adresse
für den Kauf von Schulungsmaterial.
Besonders hilfreich war es für uns,
dass Stefan Kölbl von Anton Geer , dem Entwickler der Lehrkoffer, in der
Berufsschule Dachau einen Schnellkurs in der Anwendung erhielt. Diese
Koffer mit Bausätzen für kleine Solaranlagen sollen helfen, auch ohne
Infrastruktur elektronische Geräte zu betreiben und dabei die
Grundlagen von PV, Elektro- und Speichertechnik zu schulen. Dazu
erhielten wir das Infomaterial in französischer Sprache. Akkus kauften
wir im Senegal, da deren Mitnahme im Flugzeug nicht erlaubt gewesen
wäre.
So war es für Stefan ein besonderer Erfolg, mit dem Lehrer, einem
Physiker, ein Modul in Betrieb zu nehmen. Es ist ein Anfang zum
Erzeugen von Strom für Licht, Handys und Computer. Im zweiten Schritt
sollen Hütten und Häuser versorgt werden und in einem dritten Schritt
Solaranlagen z.B. auf Schulen ermöglicht werden.
V.l.n.r.: Adelaide Diouf, Dr. Angelika Groß, Christian Kosak, Etienne
Loum, der Buchhalter, Elhadji Francois Diouf, der Bürgermeister,
Gottfried Kölbl. Rechts: Stefan Kölbl bei der Siegerehrung
Ein weiteres Highlight war der Besuch der Gemeinde Binaconding.
Auch hier hatte man uns schon weit vorher auf der Straße erwartet. Mit
Tam Tam ging es ins Dorf zum großen Fest. Ein Griot leitete die
Dankeszeremonie mit vielen Ansprachen und Würdigungen. Jede Chefin
eines Gartenbau-Projektes stellte sich mit ihrem Team und einer
temperamentvollen Tanzeinlage vor. Zum Schluss forderte man auch uns
auf, unsere Tanzkünste zu zeigen. Zum Schluss gab es auch noch
Hirsebrei (Kuskus) mit Rindfleisch und Zwiebelsoße. Alle haben es gut
vertragen!
Foto: Privat
Das sind die Leiterinnen der Gartenbau-Projekte Binaconding, Kignine,
Fassada, Diattacounda, Rossi. Foto: Privat
Am nächsten Tag besuchten wir auch hier das Gartenbau-Projekt, ein
riesiges Reisfeld. Wir wussten vorher, dass der Anbau bzw. die Ernte von
Zwiebeln, Gemüse, Kartoffeln und die Ernte von Cashew und Mangos zu
anderen Jahreszeiten stattfindet.
Enttäuschend für uns war der Besuch des von uns finanzierten
Schulgebäudes in Binaconding : Dafür hatte der Bürgermeister 2017
ein Grundstück von einem Hektar zur Verfügung gestellt. Eine Allgäuer
Familie, die nicht genannt werden wollte, hat rund 5.000 € gespendet.
Ein Foto dieser ersten Klasse zeigt unser Flyer. Bisher war es immer so,
dass der Staat sich an der Ehre gepackt fühlte, wenn eine ausländische,
vor allem christliche Organisation eine fehlende Schule baute.
Der
Ehrgeiz hielt hier nicht lange an. Auf dem riesigen Gelände stehen drei
halbfertige Rohbauten, die schon von mehreren Regenzeiten gezeichnet
sind. Anstatt dessen gibt es eine weitere Hütte, die zwei Klassen
beherbergt und eine "Buschschule" aus Zweigen für die Kleinsten. Das ist
sowohl bei Hitze wie bei Regen keine Lösung, wie mir die Lehrerin sagte.
Hier stehen drei unfertige Bauten. Dennoch gibt es jetzt mehrere Klassen
in verschiedenen Gebäuden. Fotos: Privat
Auch der Schulleiter konnte uns nicht sagen, warum man einfach
aufgehört habe. Anscheinend hat man sich geschämt, das Unicef-Logo auf
die unverputzte Hütte zu malen, so dass jetzt "unsere Schule" auch dieses
Logo trägt. Von einer anderen Schule haben wir erfahren, dass der Staat
endlich die Lehrer stellen wollte. Pustekuchen! Dies sei vom
Bürgermeister zu spät beantragt worden. Die Schüler sind jetzt ohne
Unterricht. Die Strategie des Staates ist nicht zu verstehen. Zugegeben,
er schwimmt nicht im Geld. Dass der Liter Diesel genau halb so viel
kostet wie bei uns und ein Großteil der Gewerbetreibenden keine Steuern
zahlt, kann man dann aber auch nicht verstehen. Aber es gibt inzwischen
neue Bürgerbewegungen und Parteien, die das ändern wollen. Das
bewirkt auch mehr Schulbildung!
Zum Schluss wurde uns zu Ehren in Binaconding noch ein Fußball-
Turnier veranstaltet. Es war ein tolles Spiel mit vollem Körpereinsatz.
Zum Glück gab es keine Verletzten. Die Partie endete 0:0 und wurde mit
Elfmeter-Schießen für die Mannschaft von Diattacounda entschieden. Wir
hatten als Geschenk einen "Original"-Qatar-WM-Fußball als Geschenk
dabei und durften die Siegerehrung vornehmen. Einige Schüler der
Berufsschule haben mitgespielt. Elhadji erzählte uns aber auch, dass die
meisten der Mitspieler einfach arbeitslos seien.
Liebe Senegalfreundinnen und -freunde, es ist hier wie bei der
Klimaproblematik und vielen andere Themen: Wir können die Welt, so
wie sie nun mal ist, nicht verändern. Wir können aber mit unseren
beschränkten Mitteln gezielt Akzente setzen und den Menschen helfen.
Wir können den Menschen auch dabei helfen, politisch mündiger zu
werden und zum Beispiel das Recht auf Ausbildung und eine Perspektive
im Land einzufordern.
Unsere Reise - nach drei Jahren Corona-Pause -hat auch die bestehenden
Probleme des Landes wieder in Erinnerung gerufen. Das Erreichte und
vor allem das Erleben der Menschen mit ihrer dankbaren
Gastfreundschaft gibt uns weiter Auftrieb, auch Euch wieder um Eure
Unterstützung zu bitten. Viele Frauen warten auf eine Unterstützung für
ein Gartenbau-Projekt, oft fehlt nur ein Zaun, die Berufsschule ist mit
rund 48 Schülerinnen und Schülern noch nicht ausgelastet - eine
Schulgeldhilfe wäre wichtig, und das Grundstück ist so groß, dass man
eines Tages weitere Klassenräume errichten könnte.
Schenken wir den liebenswerten Kindern eine Zukunft im eigenen Land!
Foto: Privat
Text: Gottfried Kölbl